Kurt Dutz: Recht im Griechenland der Antike 

7. Die Verfassungsorgane

7.1 Volksversammlung (ekklesia)

Die Volksversammlung tagte etwa dreißig bis vierzig mal jährlich, alle erwachsenen Männer mit Bürgerrecht waren zur Teilnahme angehalten, etwa 6000, was nach Wenzel einem Viertel bis einem Drittel der männlichen Bürger Athens entsprochen habe. Andere Autoren sprechen von einem Fünftel (bei 30 000 männl. Vollbürgern) was nach griechischer Vorstellung einem repräsentativen Teil des Ganzen genügt haben soll (J.Mahlitz). Die Beteiligten erhielten eine Aufwandsentschädigung in Höhe von zunächst einer - später drei Obolen was laut Wenzel einem halben Tageslohn entsprach.1)

Im 5.Jahrhundert hatte die ekklesia auch alle Gesetze beschlossen, eine Kompetenz, die im 4 Jhd. auf die nomotheten überging.

Man unterschied jetzt zwischen Gesetzen (nomoi) und Beschlüssen (psephismata ). Die Volksversammlung war nunmehr nur noch für letztere zuständig - als eine Art oberstes Exekutivorgan, das über Außenpolitik, Bündnisse, Krieg oder Frieden und wichtige Verwaltungsakte entschied, sowie diejenigen Beamten wählte, welche nicht durch das Los bestimmt wurden: Generäle, Admirale und die höchsten Finanzbeamten.

7.2 Rat der Fünfhundert (boulé)

Neben der Volksversammlung avancierte der Rat der 500 2), der die ehemals dem Areopag obliegenden Regierungsaufgaben übernommen hatte und nun fast täglich zusammentrat, zum wichtigsten Regierungsorgan. Er war zuständig für die wichtigsten Geschäfte der laufenden Verwaltung, Überwachung der Beamten, auch der Finanzen und bereitete die Sitzungen der Volksversammlung vor, die lediglich Beschlüsse über das fasste, was der Rat vorbereitet hatte.

Die vormals große Macht der neun höchsten Beamten, der Archonten, die wie schon erwähnt nun auch ausgelost wurden, war im wesentlichen auf die Aufgabe, die Sitzungen der Gerichte vorzubereiten und zu leiten reduziert worden. Ferner hatten sie das Recht in ihrem Verwaltungsbereich Geldbußen (epibolé) - in Höhe von bis zu 50 Drachmen - für Bagatellvergehen zu verhängen.

7.3 Gesetzgebende Versammlung (nomothethai)

Eine Versammlung von 500 bis 1000 Nomotheten war für den Erlass der Gesetze zuständig. Sie wurden aus denselben 6000 Leuten ausgelost, die auch als Geschworene für die Bildung der Gerichte vorgesehen waren - insofern gab es keine deutliche Abgrenzung von Legislative und Exekutive.

Voraussetzung zur Teilnahme war, dass man das Alter von 30 Jahren erreicht hatte und in seinem Verwaltungsbezirk durch das Los bestimmt worden war. Nach der Vereidigung zum Richter erhielt man ein Namenstäfelchen, mit dem man dann an den Auslosungen für die täglichen Gerichte teilnahm.

7.4 Gerichte (dikasteria)

"Athen war eine Stadt von Richtern..." Ständig tagten irgendwo riesige Gerichtshöfe, die sich in Strafverfahren üblicherweise aus je fünfhundert Richtern, bei Privatstreitigkeiten aus deren zwei- bis vierhundert zusammensetzten.

7.5 Quelle: Demenrichter und Schlichter (Arist. AP 53,1-4):

Durch das Los bestimmt man ferner die 40, 4 aus jeder Phyle, vor die man die übrigen Klagen bringt. Früher waren es 30, die von Demos zu Demos zogen, um Recht zu sprechen, aber nach der Oligarchie der Dreißig wurden es vierzig. [2] Die Fälle bis zu einem Streitwert von 10 Drachmen können sie eigenständig entscheiden, während sie die Fälle, die diesen Streitwert übersteigen, den Schiedsrichtern übergeben. Wenn diese nach Übernahme des Falles keine Einigung herbeiführen können, dann fällen sie einen Schiedsspruch, und wenn diese Entscheidung beiden Parteien zusagt und sie sich daran halten, ist der Fall abgeschlossen. Wenn aber einer der beiden Prozessgegner die Überweisung des Falles an das Gericht verlangt, so legen sie die Zeugenaussage, die Vorladungen und die zitierten Gesetze in Tongefäße, getrennt voneinander die Dokumente des Klägers und die des Beklagten; die Gefäße versiegeln sie, binden die auf ein Täfelchen geschriebene Entscheidung des Diaiteten daran fest und übergeben sie den vier (Demenrichtern), die die Rechtsprechung in der Phyle des Beklagten ausüben. [3] Diese übernehmen den Fall und führen ihn bei Gericht ein; Fälle mit einem Streitwert bis zu 1.000 Drachmen bringen sie vor 201, solche mit einem Streitwert von über 1.000 Drachmen vor 401 (Richter). Es ist nicht erlaubt, andere Gesetze, Vorladungen oder Zeugenaussagen heranzuziehen als die, die dem Diaiteten vorlagen und in die Tongefäße gelegt wurden. [4] Schiedsrichter sind diejenigen, welche im 60. Lebensjahr stehen.


6000 Geschworene erschienen allmorgentlich auf der agora um sich von den Archonten per Losentscheid auf die einzelnen Gerichte verteilen zu lassen. Auch die Geschworenen erhielten für ihre Tätigkeit Diäten.

Eine Besonderheit, die man sich auch heutzutage manchmal wünschte, ist im 5.Jhd. der Ostrakismus, das Scherbengericht, mittels dessen das männliche Volk einen missliebigen Politiker für 10 Jahre in die Verbannung schicken konnte, gewesen.

Im 4.Jhd. wurde dieses Verfahren durch zwei andere ersetzt: Eines gegen den Missbrauch der Volksversammlung (graphé paranomon), das andere gegen den Missbrauch der gesetzgebenden Versammlung (graphé nomon me epitedeion theinei). Es handelte sich hier um Strafverfahren gegen Antragsteller. Das erste Verfahren konnte gegen jemanden angewandt werden, der in der Volksversammlung oder dem Rat der 500 einen gesetzeswidrigen Beschluss herbeigeführt hatte, das zweite gegen den, der bei den Nomotheten ein "unzweckmäßiges" Gesetz beantragt hatte. Die Gerichte hatten also das letzte Wort - sowohl über die Beschlüsse der Volksversammlung, als auch über die Gesetze der Nomotheten.

7.6 Quelle: Die Prüfung der Amtsträger (Dokimasie) vor Amtsantritt (Arist. AP 55,2-4):

Diese (die Archonten) werden zunächst im Rat der Fünfhundert geprüft, mit Ausnahme des Sekretärs; dieser wird nur vor Gericht geprüft wie die anderen Amtsträger - denn alle Amtsträger, ob erlost oder gewählt, übernehmen ihr Amt erst nach einer Prüfung -, die neun Archonten aber werden im Rat und noch einmal vor Gericht geprüft. Und früher durfte der, den der Rat ablehnte, kein Amt übernehmen, jetzt aber findet eine Überweisung an das Gericht statt, und diesem steht die endgültige Entscheidung der Prüfung zu. [3] Sie fragen bei der Prüfung zuerst: "Wer ist dein Vater, welcher der Demen gehört er an, und wer ist der Vater deines Vaters? Und wer ist deine Mutter, wer der Vater deiner Mutter und welcher der Demen gehört er an?" Danach fragen sie, ob der Kandidat einen Altar des Apollon Patroos und einen des Zeus Herkeios habe und wo diese Altäre seien; dann, ob er Familiengräber habe und wo sie lägen; sodann, ob er seine Eltern gut behandle, seine Steuern bezahle und die Feldzüge mitgemacht habe. Nachdem er danach gefragt hat, sagt er: "Rufe für diese Angaben deine Zeugen auf!" [4] Nachdem der Kandidat seine Zeugen aufgeboten hat, fragt der Vorsitzende: "Will jemand gegen diesen Mann klagen?" Und wenn ein Kläger da ist, lässt der Vorsitzende Klage und Verteidigung zu und lässt dann abstimmen, im Rat durch Handzeichen, im Gericht durch Stimmsteine. Wenn aber niemand Klage erheben will, lässt er sofort abstimmen.



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