Kurt Dutz: Recht im Griechenland der Antike 

9. Einige Straftatbestände und ihr Strafmaß:

9.1 Asebeia (Gotteslästerung)

Gotteslästerung (asebeia): In der Regel ging es hier um die Störung kultischer Handlungen, später wurden auch andere Ausschreitungen wie der Hermenfrevel von 415 bestraft (Möglicherweise verübt von angetrunkenen Heranwachsenden, die nächtens im Vollrausch den über die Stadt verstreut aufgestellten Hermes Figuren eins auf die Nasen gaben, infolgedessen deren etliche wohl abbrachen.).Immer aber ging es bei diesem Delikt um Störungen und Tätlichkeiten.

9.2 Quelle: Der Hermokopidenfrevel von 415 (Thuk. 6,27,1-28,2):

In dieser Zeit wurden an allen Steinbildern des Hermes in der Stadt Athen [...] in einer Nacht fast an allen die Gesichter verstümmelt. [27,2] Wer es getan hatte, wusste niemand, aber es wurden von Staats wegen große Belohnungen ausgesetzt, nicht nur diese zu finden, sie beschlossen außerdem, wer irgend von sonst einem vorgefallenen Frevel wisse, solle ihn unbesorgt anzeigen, jeder dürfe, Bürger, Fremde und Sklaven. [27,3] Sie nahmen die Sache sehr ernst, als ein böses Omen für die Ausfahrt (sc. nach Sizilien) und zugleich als Anzeichen einer Verschwörung zu Aufruhr und Sturz der Volksherrschaft. [28,1] Nun wird angezeigt, durch einige Metöken und Diener, zwar nichts wegen der Hermen, aber einige frühere Verstümmlungen anderer Götterbilder, von ausgelassenen jungen Männern im Rausch begangen, und außerdem, dass die Mysterien gespielt werden in Häusern, zum Hohn, und dessen wurde auch Alkibiades beschuldigt. [28,2] Das nahmen die auf, die am meisten dem Alkibiades grollten, weil er sie hindere, selber das Volk ungestört zu lenken; wenn sie ihn vertrieben, hofften sie die ersten zu sein; die bauschten die Sache auf und zeterten, die Mysterien und die Verstümmelung der Hermen ziele auf den Sturz der Volksherrschaft, und nichts von alledem sei geschehen, ohne dass er dabei gewesen - und wiesen endlich zum Beweis auf das ganze übrige Gebaren dieses hochfahrenden Sittenverächters.

9.3 Quelle: Anklagen gegen Andokides wegen Asebie (Lys. 6,50-53):

Achtet sehr gut darauf und lasst euren Sinn ein Auge sein, das sieht, was dieser Mann getan hat, und ihr werdet die besseren Richter sein. Er hat das heilige Gewand der Hierophanten angezogen, die Zeremonien verspottet und sie den Nichteingeweihten offenbart, und er hat mit seiner Stimme die verbotenen Worte ausgesprochen. Er hat die Bilder der Götter geschändet, an die wir glauben und denen wir Opfer bringen und zu denen wir im Geiste der Verehrung und Reinheit unsere Gebete sprechen. Deshalb stehen die Priester und Priesterinnen mit dem Antlitz nach Westen, schütteln ihre purpurnen Gewänder gegen ihn und verfluchen ihn, wie es uralter Brauch ist. Und er hat seine Schuld zugegeben. Noch schlimmer ist es, dass er das Gesetz gebrochen hat, das ihr gemacht habt, dass er als Gotteslästerer von den heiligen Zeremonien ausgeschlossen sein soll. All dies hat er missachtet, er hat unsere Stadt betreten und an den Altären geopfert, die ihm verboten waren, er hat sich bei den Zeremonien gezeigt, die durch ihn entweiht sind, er hat das Heiligtum von Eleusis betreten und sich im heiligen Wasser gewaschen. Wer kann dies ertragen? Welcher Freund, welcher Verwandte, welcher Geschworene wird ihn insgeheim begünstigen auf die Gefahr hin, dass er den offenen Zorn der Götter auf sich zieht? Stattdessen müsst ihr euch der Ansicht anschließen, dass ihr durch Bestrafung und Entfernung des Andokides die Stadt reinigt und von Schuld befreit und einen Unglücksbringer und Gotteslästerer hinaustreibt, denn er ist einer von diesen.


Ab 430 v.d.Z. wurde dann auch die Gottlosigkeit an sich bestraft. Hier also ging es um Worte und Gedanken.

Es gibt drei bekannte Fälle: Gegen die Sophisten Anaxagoras und Protagoras die dafür in die Verbannung geschickt wurden und 399 v.d.Z. gegen Sokrates dem man bekanntlich ein äusserst unbekömmliches Getränk servierte.

9.4 Politische Straftaten

Politische Straftaten waren: Verfassungsumsturz (katalysis ton demon), geahndet durch 10jährige Verbannung wobei das Vermögen des Verurteilten nicht angetastet wurde.

Später dann auch Landesverrat (prodosis) und Volksbetrug (apate ton demon). Tatbestände und Strafen waren unbestimmt. Es konnte Verbannung verhängt werden, die Todesstrafe oder - wie im Fall von Militiades, der sich für sein Unternehmen gegen Paros eine Flotte ausrüsten liess, scheiterte und deswegen den versprochenen Gewinn nicht beibringen konnte, eine Geldstrafe in Höhe von 50 Talenten wegen Volksbetrug.

9.5 Quelle: Die Neuformulierung eines Gesetzes Drakons zur Blutgerichtsbarkeit, 409/08 (ML 86 = HGIÜI 145):

Das [5] Gesetz Drakons über Mord sollen aufschreiben lassen die Aufschreiber (anagrapheis), [...][11] Und wenn jemand einen ohne Vorsatz tötet, soll er in die Verbannung gehen. Das Urteil über ihn im Hinblick darauf, ob er an einer Tötung Schuld sei, soll verkündet werden von den Basileis; und die Ephetai sollen die Verhandlung führen. Verzeihung kann gewährt werden, wenn Vater oder Brüder oder Söhne (des Getöteten) am Leben sind, von allen zusammen. Anderenfalls soll der eine, der dagegen ist, maßgebend sein. Wenn keiner von diesen [15] am Leben ist, dann kann Verzeihung gewährt werden von den männlichen Angehörigen bis zum Grad des Sohnes des Vetters und des Vetters (des Getöteten), wenn alle Verzeihung geben wollen. Einer, der dagegen ist, soll maßgebend sein. Wenn auch von diesen keiner lebt, und wenn die Tötung unvorsätzlich war und ein Urteil von den 51, den Ephetai, gefällt worden ist, dass sie vorsätzlich war, dann kann der Täter wieder in das Land gelassen werden mit Zustimmung von 10 Mitgliedern der Phratrie des Getöteten. ... [20] Auf der Agora soll die Anzeige gegen den Täter erstattet werden, und zwar von den Verwandten des Getöteten bis zum Grad des Sohnes des Vetters und des Vetters. Die Verfolgung des Täters soll gemeinsam geschehen durch die Vettern, deren Söhne, die Schwiegersöhne und Schwiegerväter und die Mitglieder der Phratrie. ...


Körperverletzung (dike aikias) und gefährliche Körperverletzung (trauma ek pronoias) die mit Verbannung und Einziehung des Vermögens bestraft werden konnte.

9.6 kakosis und hybris

Grobe Verletzung von Fürsorgepflichten gegenüber Angehörigen, kakosis genannt und hybris, bei der es teils um die Verletzung von Personen in beleidigender oder überheblicher Absicht im wesentlichen aber um Verstößen gegen die öffentliche Ordnung ging, konnten unter Umständen sogar mit der Todesstrafe geahndet werden. Verhängte Geldstrafen gingen in voller Höhe an den Staat, nicht an die Opfer, die allerdings zusätzlich privatrechtlich klagen konnten.

9.7 Kuppelei und Ehebruch

Nicht genau bekannt ist der Strafrahmen für Kuppelei (graphé proagogeias) unter die auch die unentgeltliche Vermittlung junger Männer an lüsterne Geschlechtsgenossen gehörte (wobei Homosexualität an sich nicht strafbar war), und Ehebruch ( graphé moicheas) der ebenso wie Vergewaltigungan sich dem Privatstrafrecht zuzurechnen war, da es sich hier um Verletzung der privaten Rechte des Mannes, dem die Frau gehörte, also ihres Vaters, Vormundes oder Ehemannes, handelte.

Im Falle von Ehebruch war aber auch eine öffentliche Anklage möglich, die jeder erheben konnte.

9.8 Eigentumsdelikte

Auch der gewöhnliche Diebstahl (klopé), ausser wenn es sich um Tempelraub oder Entwendung öffentlichen Eigentums handelte, war Privatsache und wurde im allgemeinen nicht strafrechtlich verfolgt. Das galt auch für Betrug.Dem Geschädigten wurde, wenn er privat klagte, eine Entschädigung in Höhe des doppelten Wertes der gestohlenen Sache zugesprochen. Ausserdem konnte das Gericht veranlassen, dass der Täter für fünf Tage und Nächte in Eisen gelegt öffentlich zur Schau gestellt wurde, was dann doch wieder eine strafrechtliche Ahndung wäre. Bei Gewaltakten die nach der dike biaion geahndet wurde war sowohl eine Geldbusse an den Geschädigten, als auch eine Geldstrafe an den Staat in gleicher Höhe zu zahlen. Im Falle einer Vergewaltigung jeweils 100 Drachmen. (Dass nicht die Frau das Geld erhielt, sondern deren "Eigentümer" versteht sich wohl von selbst.)

Die dike blabes wurde auf Sachbeschädigungen angewandt. Bei Vorsatz war der Schaden doppelt, ansonsten einfach zu ersetzen. Im Laufe der Zeit wurde diese Klage ausgeweitet und auf allgemeine Vermögensschädigungen angewandt.



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