1) Betr. Charlottes Anmerkung
"Verkennung der historischen Situation." Es ist richtig dass dieser hier
nicht Rechnung getragen wird. Es ist aber so, dass man die hier geltende
Moral in Frage stellen und zu anderen Übereinkünften kommen kann
und zwar aufgrund vernünftiger Erkenntnis. Wenn man nun das Verhalten
des Prinzen im Umgang mit dem zum Tode Verurteilten betrachtet oder die
Art und Weise wie Marinelli aus durchweg niedrigen Beweggründen das
Leben anderer zur Durchsetzung seiner persönliche Interessen opfert,
dann wird man sich wohl kaum zu der Vorstellung durchringen mögen,
dass ein solches Verhalten überhaupt unter welchen Umständen
auch immer, moralisch gerechtfertigt sein könnte. Es geht also weniger
darum ob eine Option in einer bestimmten Zeit durchsetzbar wäre, sondern
vielmehr darum, ob es eine Option gibt. Oder anders ausgedrückt: Wo
sich geltende Moral in Frage stellen lässt und wo nicht.
Ebenfalls richtig ist vorhergehende Bemerkung, dass Odoardo meine
Überlegungen zur Promiskuität des Prinzen aber völlig anders
sehe, denn Odoardo stellt die geltende Moral ja nicht in Frage, was aber
nichts daran ändert, dass man sie in Frage stellen darf; sie mitunter
sogar (und zwar aus moralischen Erwägungen) in Frage stellen MUSS.
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