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Auf'm Sozi...

Ein weiterer authentischer Bericht aus dem Leben eines Sozialschmarotzers:

Ich weiß nicht mehr genau, wann das war. Ich denke mal so in der ersten Hälfte der achziger Jahre, nein, mit Sicherheit in der ersten Hälfte der achziger, denn seine künftige Gattin lernte mein Freund Manni ja 79 kennen und lieben und 85 machte er sich selbstständig ...

Jedenfalls waren die Zwei absolut am Tiefpunkt, und sie, die geliebteste aller wilden Ehefrauen, beschloss zum Sozi zu gehen; der vielen unbezahlten Mieten wegen und so. Manni bezog zu jener Zeit Artbeitslosengeld oder -hilfe und begleitete sie, um ihr den Rücken zu stärken.

Der zuständige Sachbearbeiter war so eine Art Pseudo-Freak; trug etwas längere Haare, drehte seine Zigaretten selbst und hatte irgendwelche Poster von Musikern an der Wand hängen. Wie sich später herausstellte, zupfte der Typ tatsächlich die Gitarre in 'ner Country und Western Kapelle. Zunächst hatte Manni den Eindruck, dass man mit diesem Menschen problemlos klarkommen werde, eine Annahme, die sich umgehend als falsch erweisen sollte.

Der Kerl war ziemlich fies drauf und kämpfte um jede Mark, als werde sie von seinem Gehalt abgezogen und wollte Mannis Zukünftige offensichtlich am liebsten komplett abwimmeln. Manni selbst forderte er ohnehin gleich auf, doch bitte draußen zu warten. Nun hatten die beiden sich allerdings zuvor von einer Bekannten ein kleines Büchlein geborgt, in welchem haargenau erklärt war, was so ein Sozialamt wann zu leisten hat, beziehungsweise zahlen muss.

Unter anderem stand da auch drin, dass so ein bedürftiger Hilfesuchender das Recht habe, sich von einem beliebigen Dritten begleiten und unterstützen zu lassen. Manni liess sich also nicht des Raumes verweisen, sondern blieb und mischte sich, als der Kerl gar zu starrsinnig auf das Begehren seines zukünftigen Weibes reagierte, ordentlich ein, spielte quasi den Anwalt. Da Manni ja selber nichts von ihm wollte und somit auch nichts zu verlieren hatte, wurde er ziemlich frech. Am Ende jedenfalls musste dieser Sozialfallverwalter klein beigeben und unser Paar konnte sich mit 'ner Zahlungsanweisung auf den Weg zur Kasse machen.

So weit - so gut, es verging einige Zeit und irgendwann kriegte Manni keine Stütze mehr. Er versuchte sich, so lange es irgend ging, so durchzuschlagen und einen Gang auf das besagte (A)Sozialamt zu vermeiden. Es sollte allerdings bald der Tag kommen, an dem dieser "Gang nach Canossa" unvermeidlich wurde, denn unser Held hatte ein Loch im Zahn, litt unter heftigen Zahnschmerzen und war nicht versichert. Nachdem er dieses Leiden tagelang durch Einnahme diverser Schmerzmittel, sowie durch mit Nelkenöl getränkte Wattebäuschchen erfolglos zu"therapieren"versucht hatte, biss er in den sauren Apfel und machte sich, begleitet von seiner Zukünftigen, auf den Weg zum Sozialamt, mit der Absicht sich dort einen sogenannten "Zahnschein" ausstellen zu lassen, um sich in die längst überfällige, ärztliche Behandlung begeben zu können.

Natürlich fiel auch Manni, wie anders hätte es sein können, diesem Pseudofreak in die Hände. Der erinnerte sich offensichtlich noch an Mannis letzten Auftritt, erklärte ihm, dass das Amt nur noch nach Terminvergabe arbeite und bot ihm - es war übrigens ein Dienstag oder Mittwoch - , unverhohlen grinsend, einen Termin für den kommenden Freitag an; folgende Unterlagen (Mietvertrag etc.) seien dann mitzubringen und vorzulegen.

Zahnschmerzen sind so ziemlich das fieseste, was es gibt und Manni hielt seine kaum noch aus. Also erklärte er, man solle ihm nicht so'n Quatsch erzählen, er wisse genau, dass die Sozialämter zur SOFORTHILFE verpflichtet seien und ihm zumindest ermöglichen müssten, bis zu dem angebotenen Termin zu überleben, man solle also den "Antrag auf Beihilfe zum Lebensunterhalt" rüberschieben, sowie ihm den dringend benötigten Zahnschein ausstellen und das bitte sofort. Er sei hoffnungslos pleite und werde das Büro nicht verlassen, ehe dieses nicht geschehen sei. Um seine Bedürftigkeit noch deutlicher zu machen krempelte er dabei seine Hosentaschen, in denen sich tatsächlich nichts befand außer ein paar Tabakkrümeln, die nun auf den Boden rieselten, nach außen, was einer anderen dort tätigen "Dame"ein spontanes "Igitt, wie eklig!" entlockte.

Nun kam endlich Bewegung in den Kerl. Er streckte den Arm aus, nein NICHT um Manni den gewünschten Antrag auszuhändigen; er griff nach dem Telefon und rief die Bullen an ...

Was nun? In dem schlauen Büchlein hatte Manni gelesen, dass es ratsam sei, bei unlösbaren Konflikten direkt mit dem Amtsleiter zu verhandeln. Er verlangte also Auskunft darüber, wo dieser zu finden sei, verließ den Raum und machte sich, begleitet von seiner Ihmnochimmernichtangetrauten auf den Weg zu dessen Büro. Der Amtsleiter war offensichtlich wenig erfreut in seiner nachmittäglichen Siesta gestört zu werden. Sich seiner Verpflichtungen aber wohl bewusst, hörte er sich also an, was Manni ihm zu sagen hatte, griff zum Telephon und wies den Sachbearbeiter an, Manni das Gewünschte - Zahnschein, Beihilfe zum Lebensunterhalt und den Termin für Freitag, - unverzüglich auszuhändigen.

Zeitgleich mit den Bullen erreichten Manni und Diedieerirgendwannmalehelichenwird das Büro dieses Stinkstiefels und obwohl Manni echt am Stock ging, konnte er's sich nicht verkneifen, diesen Hütern von Recht und Ordnung grinsend zu erklären, dass er der Gesuchte sei, sie sich aber wohl vergeblich herbemüht hätten.

Drinnen im Büro verfolgte Manni dann mit unverhohlener Genugtuung, wie der Sachbearbeiter-Knilch nun doch noch zähneknirschend seinen Fall in gewünschter Weise bearbeiten musste.

Jahre später, Manni hat sich mittlerweile selbstständig gemacht, kommt eines Tages einer seiner Kunden mit so' nem Zettel vom Sozialamt, so ein Formular auf dem er zwecks Nachweis, dass er sich um einen Job bemüht, von den Firmen bei denen er sich "bewirbt" seinen Bewerbungsversuch mittels Firmenstempel quittieren lassen soll.

Eine Verfahrensweise, die heutzutage üblich ist, damals jedoch äusserst umstritten war. Irgendwo hatte Manni sogar gelesen, sie sei als rechtswidrig erklärt worden.

Manni unterhält sich mit dem Mann und erfährt, dass auch dieser seinem"Lieblingssozialfreak" in die Hände gefallen ist. Daraufhin schnappt er sich den Wisch, kreuzt abgelehnt an, knallt seinen Stempel drauf und verziert das Ganze mit'nem Kommentar in dem er klipp und klar zum Ausdruck bringt, dass er grundsätzlich niemanden einstellen werde der hier mit so 'nem Wisch aufkreuze, er die ganze Angelegenheit darüber hinaus ohnehin für verfassungswidrig halte und so weiter. Für seinen Kunden (und, wie er hofft, auch für ein paar andere Leute) jedenfalls hat diese Aktion zur Folge, dass ihm derartige Bewerbungskomödien künftig erspart bleiben werden.


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