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 04.02.2002
...ach was wäre das Leben ein langweiliges in diesem Lande, gäbe es nicht ...

die immer wiederkehrenden Amtsbesuche,

die dem Beschäftigungslosen das Dasein ein wenig Kurtsweiliger zu gestalten helfen ...

Wie aufgefordert, sprach ich heute in aller Frühe (ca 07:30) zum wiederholten Male, mit allen, als bis dato als fehlend gerügten, Unterlagen versehen beim Sozi vor. Die Zettelbox neben dem Anmeldezimmer ist mittlerweile auch arbeitslos, weil durch einen hypermodernen Zettelautomaten nebst Rufanlage wegrationalisiert.

Nun ist es aber keineswegs so, dass man sich sofort beim Erscheinen auf dem Amt sein Nümmerchen ziehen könnte - bewahre! das könnte ja Konflikte und Nervereien vermeiden helfen. Nein, Punkt acht Uhr wird der Automat aktiviert, was alle bis dahin eingetroffenen Bittsteller zum Anlass nehmen, sich unverzüglich auf ihn zu stürzen und in eine hitzige Diskussion, wenn nicht gar in handfeste Auseinandersetzungen darüber, wer denn nun den ersten, zweiten, "n-ten" Zettel sich zu nehmen berechtigt sei, zu geraten. Eine wahrlich weise Verfahrensweise wie mich dünkt, fördert sie doch unwiederlegbar die Kommunikation unter den Besuchern, nein mehr noch: Sie ermöglicht sie überhaupt erst...

Eigentlich hatte ich ja schon um sieben Uhr zur Stelle sein wollen, jedoch die Zeit, die ich für wachwerden und Morgentoillette brauchen würde, falsch eingeschätzt; so bin ich wie gesagt erst gegen halb acht vor Ort - als ungefähr zwanzigster Bittsteller. Ich begebe mich in den Warteraum, drücke auf den Besucherkartenautomatenauswurfknopp, das Ding piept blöde rum und nix kommt ... Aha, denk ich - zu spät, na denn ... Schon im Begriff das Amtsgebäude zu verlassen, frage ich noch einen anderen "Gast" des Hauses, der im Treppenhaus rumlungert um eine zu rauchen, ob die Nummernmaschine ihr Soll schon erfüllt habe. "Nein, die wird erst um Acht eingeschaltet." bekomme ich zur Antwort, also mache ich kehrt und suche mir im Wartezimmer einen Platz in der linken hinteren Ecke; da scheint's zum einen ruhig genug zu sein um was zu lesen, zum anderen hat man 'ne schöne Übersicht über den Raum. Mein Blick schweift nun über die hier Anwesenden und ich mache eine angenehme Entdeckung. An der von mir aus gesehen linken Längsseite des Raumes sitzt eine ziemlich attraktive rothaarige Frau, mit der ich bei meinem letzten Besuch hier ins Gespräch gekommen war, die ich allerdings nicht wieder zu treffen erwartet hatte, da sie mir seinerzeit erzählte, ihr Antrag sei abgelehnt worden, da sie knapp über dem Bedarfssatz liege ... Nun blickt sie auf, sieht und wiedererkennt mich offensichtlich auch, wir lächeln uns zu, was mich veranlasst, umgehend meinen Platz zu wechseln ...

Die Sachbearbyterin, die zuletzt ihren Antrag bearbytete, hatte sich verrechnet, deswegen tritt sie auch erneut an, zum sechsten Mal ... (schöne Aussichten) .. Ich packe meine Thermosflasche aus um mir erstmal 'n Schluck Kaffee zu genehmigen. Sie grinst und meint, das habe man schnell raus, dass sowas ratsam sei und gießt sich ihrerseits aus der ebenfalls mitgeschleppten Thermosflasche auch einen ein ... Naja machen wirs Kurtz ... Als der Zettelautomat seine Arbyte aufnimmt, kommt es zu der bereits erwähnten Auseinandersetzung .. Wir halten uns raus und stellen Vermutungen über das eventuelle Vorhandensein einer versteckten Kamera an, die, womöglich direkt im Nummernautomaten installiert, den ganzen Aufruhr filmt und live in die Amtsstuben überträgt, daselbst das Amtspersonal grölend und schenkelkopfend vor den Bildschirmen hockt und seine Gaudi hat. Immerhin kriegt sie die 16. Nummer was dem Zeitpunkt ihrers Eintreffens angemessen sei, wie sie sagt; ich hingegen erwische die 24, habe also vier Plätze verloren ...was solls ... Nach zwei Stunden wird Monika, so heißt sie, aufgerufen und erhält tatsächlich ganze 183 Mark zugesprochen. Ich selbst darf noch 'ne gute Stunde warten bis ich drankomme. Zum Glück hab ich mir aber was zu lesen eingesteckt - "Der Steppenwolf" - sehr passend. Endlich vorgelassen, dritter Besuch, dritter Sachbearbyter. Als ich das letzte Mal hier war, hatte er im Anmelderaum die Stellung gehalten. Heute sachbearbytet er, weil mehr als die Hälfte der Belegschaft sich krankgemeldet hat. Ich lege meine Unterlagen vor:

- "Ham se den Ausweis von ihrem Kind?"
- "Höh?! wieso? das Kind braucht doch gar keinen Ausweis!?"
- "Und wie wolln se dann beweisen, dasse'n Kind haben?"
- "Das ist doch auf den Lohnsteuerkarten eingetragen, reicht das nicht?"
- "Es könnte sich ja im Ausland aufhalten oder so .."
- 'Ah jaaa! - Sehr naheliegender Verdacht. Gratuliere!''
- "Den Antrag muss ihre Frau auch unterschreiben! Versteh' garnicht, wieso man Ihnen den beim letzten Mal nicht mitgegeben hat." ..
- 'Na Toll!' ...'
- "Was ham se denn vorher gemacht?"
- "Ich hab das Abitur nachgemacht, aufm zweiten Bildungsweg."
- "Könnse belegen, dasse nich mehr zur Schule gehn?"
- "Als ich das erste Mal hier war, hatte ich mein Abschlußzeugnis mit, hat aber keinen interessiert... .. Aber...  ich hab doch die Ablehnung vom Arbeitsamt ..?"
- "Reicht nicht - also bringen se das Zeugnis nächstes Mal mit - Was ist mit dem Bescheid vom Wohngeldamt?"
- "Tut mir leid, den hab ich noch nicht erhalten, aber die wollen ihrerseits 'n Bescheid von Ihnen ..." -
Schließlich lese ich dem guten Mann vor, was man mir, bei meiner letzten Vorsprache hier, mitzubringen aufgetragen hatte und betone, dass ich genau das gerade ihm vorgelegt habe ...
- "Ich kann ihnen höchstens 'n Abschlag anbieten .. 50 Euro? .."
- "Na gut." sag ich ...
Dann dauerts noch 'ne Weile bis er sich all die Unterlagen kopiert hat ... Um 12 Uhr darf ich dann mit meiner Zahlungsanweisung zur Kasse marschieren -
... to be continued 2morrow at 07:00 am
... ächz ...
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